Gerade an jenem Tag an dem der Film
Syriana in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Kino anläuft, wird aus der Film-Fiktion um ein Haar Realität:
Bei dem versuchten Selbstmordanschlag auf eine Ölanlage in Saudiarabien sind am Freitag den 24.02.2006 vier Menschen getötet worden, zwei Wachmänner und die beiden Attentäter. Ziel des versuchten Anschlags war die Stabilisierungsanlage Abkaik (Abqaiq) in der ölreichen Ostprovinz des Königreichs Saudi Arabien.
Vor einem Jahr hatte der Anführer der Extremisten-Organisation Al-Kaida, Osama bin Laden, seine Anhänger zu Anschlägen auf Öl-Anlagen im Golf aufgefordert, die beiden Selbstmordattentäter haben versucht, mit Sprengstoff beladene Fahrzeuge ins Gelände der Anlage zu fahren. An einem Tor seien die Autos aber von Sicherheitskräften beschossen worden und explodiert.
"Es ist zwar nicht klar, was es für Schäden an der Anlage gibt, aber Abkaik ist die weltweit wichtigste Produktionsstätte", sagte Gary Ross vom Energieberater PIRA in New York. "Der Anschlag rückt die Sorgen über die Sicherheit der weltweiten Ölexporte erneut in den Mittelpunkt, zumal es bereits die bekannten Risiken in Nigeria, dem Iran und dem Irak gibt."
Dazu ein Zitat aus dem Schwarzbuch Öl:Von den Ölfeldern wird das Rohöl zur Stabilisierungsanlage Abkaik gepumpt. Hier wird es aufbereitet und auf die zwei wichtigsten Pipelines des Königreiches verteilt. Durch Abkaik fließen täglich fast sieben Millionen Barrel Öl, Abkaik ist der Knotenpunkt der saudischen Ölindustrie und damit eine der verwundbarsten Industrieanlangen der Welt. Dort eine Besuchsgenehmigung zu erhalten, ist nicht ganz einfach: Das saudische Informationsministerium, der staatliche Ölkonzern Saudi Aramco, das Ölministerium sowie das Büro des Gouverneurs der Ostprovinz – sie alle müssen ihren Sanktus geben. Abkaik dient als Einstiegskulisse für das Buch »Die Saudi-Connection « des früheren CIA-Agenten Robert Baer. Gleich auf Seite eins lässt er eine Bombe unter dem Stabilisierungsturm Nr. 7, in dem Schwefel aus Rohöl extrahiert wird, detonieren. Baer schildert das fiktive Schreckens-Szenario in allen Details: wie ein weißer Ford Pickup an den Turm heranfährt; wie der Fahrer, »einer der tausenden Schiiten, die auf den saudischen Ölfeldern arbeiten«, den Motor abstellt, ein letztes Mal auf seine Uhr blickt und Verse aus dem Koran zu rezitieren beginnt. »Die Lichter der größten Öl-Verarbeitungsanlage blinken überall um ihn herum.« Dann folgt eine gewaltige Detonation – 6,8 Millionen Barrel Öl täglich sind plötzlich vom Markt verschwunden, noch Monate später würden immer noch vierzig Prozent weniger Öl produziert. »Mit sieben Millionen Barrel ist Abkaik der Gozilla unter den Öl-Verarbeitungsanlagen« – ein ideales Ziel für Terroristen, schreibt Baer.
Auch wenn der saudische Außenminister, seine Hoheit Prinz Saud al Faisal, bei einer Pressekonferenz im Wiener Traditionshotel Imperial3 Buchautoren wie Baer als anti-saudische Propagandisten abtat: Baers spannender Buch-Einstieg könnte direkt aus einer CIA-Risiko-Analyse stammen. Seit die Al-Qaida-Terroristen im saudischen Königreich immer wieder zuschlagen, ist ein solches Horrorszenario nicht mehr ins Reich der Phantasie zu verweisen.
In Abkaik ist man sich des Risikos bewusst. Der 47-jährige Schichtführer Abdullah Al-Utaibi zeigt uns die Anlagen: Zwischen Diesel- und Ethyl-Street – die Straßen innerhalb der Anlage tragen allesamt Namen aus dem Ölgeschäft – stehen elf gewaltige Sphäroide, riesige Druckbehälter, in denen der Druck des Öl-Gas-Gemisches reduziert wird, sobald es aus den Pipelines eingespeist wird. Zwischen Carbon- und Ethyl-Street ragen die zehn Stabilisatoren-Türme, auf die es die fiktiven Terroristen in Baers Buch abgesehen haben, in den Himmel. Warnend steht auf einer grünen Tafel in Arabisch und Englisch:»Was in Jahren nicht geschehen ist, könnte durch einen Unfall in Sekunden passieren.« Nur durch einen Unfall?
Al-Utaibi schildert detailliert und mit dem Stolz eines Ingenieurs die genauen Abläufe in der Anlage: wie aus »saurem« Öl »süßes« wird, wie das Öl vom Erdgas getrennt wird; wie das verarbeitete Rohöl in die Raffinerien,Verladeterminals oder in die Pipeline gepumpt wird. Was passiert, wenn Terroristen hier zuschlagen? »Das ist so gut wie ausgeschlossen«, sagt er, »wir haben ausgeklügelte Sicherheitssysteme,Wachen, Spezialzäune und Patrouillen.« Und nicht nur das: Immer wieder ist das Donnern saudischer F-15-Kampfjets zu hören. Die saudische Luftwaffenbasis Dahran liegt keine 45 Autominuten von hier. Von Abkaik wird das Rohöl weiter nach Ras Tanura und Juaimah gepumpt, wo Tanker mit der Fracht beladen werden.