George Soros über die Extractive Industries Transparancy Initiative
Der Fluch der Ressourcen
Bestechungsaffären und dubiose„Deals“, vor allem in der Ölindustrie, häufen sich. Was tun? Leitgedanken einer Antikorruptionsinitiative imVorfeld eines Gipfeltreffens vonRegierungs-, Wirtschafts-, undNGO-Vertretern in London.George Soros*
Erschienen am 17.03.2005 in DER STANDARD (Originaltext in Englisch erschienen am 17.03.2005 in der FINANCIAL TIMES.
Länder, die über großenReichtum an natürlichenRessourcen verfügen, sind oft arm, weil ihre Regierungen die Ausbeutung dieserRessourcen nur zu ihrem eigenen Vorteil betreiben: Konkurrierende Öl- und Bergbau- unternehmen sind oftmals bereit, mit jedem Geschäfte zumachen, der ihnen eine Lizenz zusichert. Das hat zur Entstehung und Befestigungkorrupter und repressiver Regime und oft auch zu bewaffneten Konflikten geführt.
InAfrika wurden mit Ressourcen reich gesegnete Länder wie der Kongo, Angola und der Sudan durch Bürgerkriege zerstört. Im Mittleren Osten verläuft der Demokratisierungsprozess nur zögerlich.
Eine Beseitigung dieses „Fluches der Ressourcen“ könnte einen wichtigen Beitrag zur Linderung der Armutund des Elends auf dieser Welt leisten – und genau zu diesem Zweck hat sich eine internationale Bewegung formiert,die vor ein paar Jahren mit der Kampagne „Publish What YouPay“ ihren Ausgang nahm. Dabei wurden Öl- und Bergbau- unternehmen aufgerufen, ihre an die Regierungen geleisteten Zahlungen zu veröffentlichen.
Als Reaktion darauf rief die britische Regierung die Initiative für Transparenz in derRohstoffindustrie (EITI) insLeben. Drei Jahre nach Beginn dieses Prozesses hat nun Großbritannien eine wichtige EITI-Konferenz in Londoneinberufen, an der Regierungsvertreter sowie Reprä-sentanten aus der Wirtschaftund der Bürgergesellschaftteilnehmen sollen. Vieles wurde in den letzten Jahren bereits erreicht: Aufder Seite der Wirtschaft haben große internationale Rohstoffunternehmen den Wert und die Notwendigkeit größererTransparenz erkannt. British Petroleum hat sich verpflichtet, differenzierte Informationen zu Zahlungen im Bereich seiner Aktivitäten in Aserbaidschan zu veröffentlichen, und Royal Dutch Shell tut das gleiche in Nigeria.
Chevron-Texaco hat unlängst mit Nigeria und Sao Tomé einen Vertrag ausgehandelt, in dem eine Transparenzklausel die Veröffentlichung von Firmenzahlungen in der gemeinsamenProduktionszone vorsieht.
Das erfreulichste Zeichen ist, dass die Produzentenländer beginnen, ihrerseits dieInitiative ergreifen.
Nigeria restrukturiert seine staatlicheÖlgesellschaft, verabschiedet Transparenzgesetze und verfügt umfassende Unternehmensprüfungen im Öl- undGassektor. Außerdem ist geplant, in diesem Sommer mitder detaillierten Veröffentlichung von Unternehmenszahlungen an den Staat zu beginnen.
Transparenzindex. Die Republik Kirgistan war das erste Land, das gemäß den Richtlinien der EITI über eingroßes Goldabbauprojekt Bericht erstatte.
Aserbaidschan wird über seine ÖleinnahmenEnde dieses Monats berichten. Ghana, Trinidad und Tobagohaben ebenfalls derartige Aktivitäten angekündigt. Peru, Sao Tomé und Principe sowie Osttimor befinden sich gegenwärtig in Verhandlungen zur Implementierung der Initiative. Ebenso wichtig ist, dass lokale Aktivisten in vielen dieser Länder die EITI als Aufhänger benützen, um mehr Verantwortlichkeit im Umgang mit den Staatsfinanzen zu fordern. Es gibt allerdings noch vielmehr zu tun. Zwei Drittel der ärmsten Menschen dieser Welt leben in ungefähr 60 Entwicklungs- oder Transformationsländern, die von Einnahmen aus Öl, Bergbau oder Gas abhängig sind.
Der vor kurzemvon der britischen Organisation Save the Children veröffentlichte Transparenzindexzeigt, dass Transparenz dieAusnahme und nicht die Regel ist. Viele wichtige Erzeugerländer – insbesondere jene aus dem Mittleren Osten – haben noch nicht einmal ansatzweise ihre Finanzgebarung durchlässiger gemacht. AuchIndonesien nicht. Zudem wäre es natürlich entscheidend, auch staatliche Unternehmen, die für den Großteil der weltweiten Öl- und Gasproduktion verantwortlich sind, zur Offenlegung zu verpflichten.
Andere Regierungen sollten dem Beispiel Großbritanniens folgen und sich politisch und finanziell für die Ausweitungder EITI engagieren. Frankreich zum Beispiel scheint bisher nur wenig getan zu haben, um Länder in seinem Einflussbereich dahingehend zu ermutigen, geschweige denn sicherzustellen, dass seine eigenen Unternehmen ihre Zahlungen auszuweisen. Die jüngste Entscheidung der Regierung Bush einen parallelen Antikorruptionsprozess innerhalb der G-8 in Gangzu setzen, halte ich allerdingsfür wenig hilfreich, weil siedazu führt, dass die Vereinig-ten Staaten erstens sich nicht an der EITI als oberstem internationalen Gremium zur Transparenzkontrolle beiRohstoffeinnahmen beteiligen, und zweitens völlig unnötigerweise das Rad neuerfinden.
Im Übrigen ist mir nicht aufgefallen, dass die USA und Großbritannien ihre Macht imIrak bisher dazu genutzt hätten, die Transparenz imÖlsektor besonders zu fördern. Hoffen wir, dass die neue irakische Regierung das nachholt. Es ist jedenfalls schwer zu erkennen, wie die Demokratie Fuß fassen soll, wenn die wichtigste Einnahmequelle des Landes unter einem Schleier aus Geheimnissen verborgen bleibt, wie einst unter Saddam.
Minimalforderungen. Vor der EITI liegt also noch ein langer Weg, aber sie ist eines der wirksamsten zur Verfügung stehenden Mittel, um einen weltweiten Standard für Offenlegungspflicht und Verantwortlichkeit zu etablieren. Der Gipfel in dieser Woche ist eine gute Gelegenheit, die Fortschritte zu beurteilen und die Umsetzungsstrategien von EITI genauer zu definieren – etwa indem man einige Minimalforderungen an die betreffenden Länder richtet.
Alle, denen klar ist, welch entscheidende Rolle Energie und Bergbau zukommt, um die Lebensbedingungen der Durchschnittsbürger zu verbessern, täten gut daran, in dieser kritischen Phase in die Initiative zu investieren. EITI ist vielleicht noch keine bekannte Institution, aber gemeinsam mit anderen Bestrebungen der Zivilgesellschaft wie beispielsweise der Bewegung „Publish What You Pay“ könnte sie in der Welt mehr zum Guten wenden als die meisten anderen.*
Der US-FinanzmagnatGeorge Soros, Präsident des Soros Fund Management und Vorsitzender des Open Society Institute, lebt in New York. Copyright Project Syndicate, 2005; www.project-syndicate.org; Übersetzung aus dem Englischen vonHelga Klinger-Groier
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